Erfahrungsbericht über eine „Schnupperreise“ nach Albanien vom 19.05. – 27.5.2010
Vor 40 Jahren mussten wir bei einer Reise entlang der jugoslawischen Küste nach Griechenland Albanien umfahren, weil es keine Möglichkeit gab, ein Visum zu erhalten. Albanien hatte sich von der Außenwelt abgeschlossen. Es war schon lange unsere Idee, dieses Land doch noch kennen zu lernen.Schon bei der Planung gab es überraschende Erkenntnisse: Lufthansa fliegt zweimal täglich nach Tirana und der neue Flughafen ist in diesem mehrheitlich moslemischen Land nach Mutter Teresa benannt.
Für die ersten Nächte in Tirana haben wir ein Hotel (Baron) reserviert, das uns auch noch um Mitternacht am Flughafen abholte. Alles verlief wie geplant.
Am nächsten Tag begleitete uns Alkina, eine Hotelangestellte mit guten Englischkenntnissen zu einem ersten Stadtrundgang. Sinnvoll war es im Nationalmuseum zu beginnen, denn so bekamen wir einen anschaulichen Überblick über die Geschichte des Landes von den Illyrern über die Griechen, Römern, byzantinische, bulgarische, serbische, osmanische Besetzungen bis zur Gründung des Staates erst im Jahre 1912 mit einem Monarchen aus dem deutschen Geschlecht der von Wied (Neuwied).
Die Albaner haben alle diese fremden Einflüsse „ertragen“ und haben durch ihre Sprache die Identität bewahrt. Albanisch ist mit keiner der Nachbarsprachen verwandt und stellte für uns eine Hürde dar. Da auch Englisch noch nicht allgemein verbreitet ist, hilft am ehesten italienisch, das viele Albaner über das Fernsehen verstehen.
Nach dem ersten Orientierungsgang im Stadtzentrum wurde uns auch noch das Bussystem erklärt, so dass wir uns in den folgenden Tagen bequem und sicher in der Stadt bewegen konnten. Die vielen Parks und kleinen Restaurants luden uns zum Verweilen und Beobachten ein. Erfreut waren wir über die freundliche, offene und tolerante Art der Albaner.
Das Endspiel Bayern München gegen Milano verfolgten wir mit vielen jungen Leuten in einen angesagten Club im „Vergnügungsviertel“ Blogg, wo in kommunistischer Zeit die Nomenklatura wohnte. Auf mehreren Großleinwänden wurde das Ereignis übertragen, es gab München-Fans und Milano-Fans, entsprechend wurde gejubelt und gelitten, aber in einer so frohen Art, dass wir diesen Abend als ein besonderes Erlebnis in Erinnerung behalten werden.
Für ein Land in dem 70 % der Bevölkerung dem Islam zugerechnet werden, sahen wir fast keine Kopftücher, sondern modern gekleidete, attraktive junge Frauen bummeln.
Wir hatte bisher noch nichts von der Bektashis-Konfession des Islam gehört, deren Weltzentrum in Tirana ist, eine offene, tolerante Religion, die vielleicht einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung von Islam und Christentum leisten könnte.
Vom Hotel wurden Ausflüge organisiert nach Petrala, einem wichtigen Stützpunkt des Nationalhelden Skanderbeg im Kampf gegen die Türken oder auf den Dajti einem beliebten Ausflugziel mit herrlichem Ausblick über die stark gewachsene Stadt Tirana (heute nahezu 1 Million Einwohner).
Auf eigene Faust erkundeten wir mit öffentlichen, sehr preiswerten Bussen die Hafenstadt Durres mit dem großen Amphitheater und den zahlreichen Strandhotels. Auch die Skanderbeg-Stadt Kruja kann man direkt mit Bussen vom Bahnhof Tirana aus erreichen. Hier bei einem guten Essen auf der Terrasse eines Restaurants den Sonnenuntergang zu genießen, ist ein schönes Erlebnis.
Dies ist aber auch möglich im Drehrestaurant des Skytower, von wo man auch sieht wie viel Grün Tirana als Erholungszonen bietet, trotz des chaotischen Verkehrs im Zentrum.
In fünf Tagen lässt sich von Tirana und Umgebung ein guter Eindruck von Land und Leuten gewinnen.
Dann buchten wir noch für drei Tage einen kleinen Leihwagen, um auf eigene Faust und ohne Vorbuchungen einen Teil des südlichen Albanien zu erkunden.
Der Reiseführer empfahl vom Flughafen den schnelleren Weg nach Elbasan über die Autobahn nach Durres. Leider gerieten wir in Durres in eine völlig chaotische Baustelleneinrichtung, so dass der vermeintliche Zeitvorteil von 2 Stunden verbraucht war. Mit Hilfe von hilfsbereiten Einheimischen fanden wir auch nach einigen Umwegen wieder die recht gute Straße über Kavaje und Rregozhine nach Elbasan. Im alten Stadtbezirk hinter den Stadtmauern gibt es eine gute Kooexistenz von Moscheen und Kirchen; obwphl auch hier überall renoviert wird bietet ein Gang durch die engen Gassen noch eine Zeitreise von 100 Jahren zurück.
Die Straße durch das Tal des Shkumbin ist in recht gutem Zustand und bietet schöne Aussichten in eine schöne Landschaft. Am Anstieg zum Thanes-Pass wurden die Spitzkehren ausgebaut, so dass langsame Lastwagen überholt werden können. Die Ausblicke vom Pass auf die Schneeberge im Norden und den Ohridsee im Osten ist sehr eindrucksvoll.
Leider war es regnerisch und recht kühl, so dass wir die geplante Pause am See verschoben bis nach Pogradec, einer Stadt mit Uferpromenade und Hotels. An warmen Tagen lassen sich sicher hier erholsam Urlaubstage verbringen, vor allem für Freunde guter Fischrestaurants.
Wegen des trüben Wetter entschieden uns noch bis Korca weiterzufahren. Auch das eine landschaftlich schöne Straße, die uns auch schneller als geplant durchkommen lässt. Wir entschieden uns deshalb noch bis Voskopja in die Berge auf ca. 1200m zu fahren. Ab Voskop wurde die Straße neu ausgebaut und stellt keine Probleme mehr dar. Das im Reiseführer 2008 kurz vor Fertigstellung bezeichnete Hotel ist leider immer noch nicht fertig, aber verhilft uns zu einem vorzüglichen Privatquartier, dass wir in diesem abgelegenen Dorf mit sehr schlechten Straßen nicht erwartet hatten.
Voskopoja mit seinen sechs „Scheunendach-Kirchen“ war für uns eine große Überraschung. Diese sicher als Weltkulturerbe einzustufenden Kuppelkirchen, versteckt unter Scheunendächern, sind leider nur gegen weiteren Verfall gesichert und bedürfen noch dringend weiterer Renovierungen, aber der Abstecher ist sehr lohnend. Den Spaziergang zwischen den Kirchen in der wunderbar blühenden Bergwelt werden wir nicht vergessen. Die Schönheit der Landschaft und die einmaligen Kulturdenkmäler wird die Gegend touristisch nicht so unberührt lassen wie wir es noch erlebten.
Die Weiterfahrt auf einer atemberaubende Landschaft fast bis an die griechische Grenze hätte es verdient, noch einige Stopps einzulegen. Dafür war aber unsere Zeit zu kurz bemessen, ab Carshove ging es bis Permet wieder in nördliche Richtung. Auch diese Straße bietet fast in jeder Kurve herrliche Ausblicke ins Tal der Vjoses mit den dahinter aufragenden Schneebergen (bis 2485m).
Permet wäre auch ein guter Standort für Ausflüge in die nahen Naturparks, aber dafür würden wir ein Allradfahrzeug benötigen. Wir übernachten sehr gut im Hotel „Alvero“ (€ 20,–incl. Frühstück!) und genießen ein gepflegtes Abendessen im „Athenae“. Vor dem Abendessen flanieren wir noch entlang der Vjoses mit Blick auf die von der Abendsonne beschienen Berge. Am zentralen Platz erinnert ein Denkmal an den ersten Kongress zur Bildung einer albanischen Regierung 1944 nach dem Ende der italienisch-deutschen Besatzung.
Gleich daneben steht das „Kulturhaus“, eine zweckentfremdete orthodoxe Kirche (Kino), die wieder als Kirche benutzt wird.
Nun müssen für unseren letzten Tag entscheiden, fahren wir in das in allen Reiseführern beschriebene Gjirokaster oder in das schwer zugängliche Byllis.
Wir entscheiden uns für Byllis, einer frühen illyrischen Gründung (500 v. Chr.), die dann von den Griechen zu einer bedeutenden Höhensiedlung ausgebaut wurde. Die noch gut erhaltene Umfassungsmauer aus großen Quadern hat eine Länge von ca. 4 km. Sie wurde unter den Römern Hauptstadt von Neu Epirus. Es war einer der ersten Bischofssitze und der Bischof von Byllis nahm 341 am Konzil von Ephesus teil.
Diese bedeutende Siedlung wurde um 600 von den Slawen zerstört und nicht wieder besiedelt, so dass die Archäologen heute hervorragende Funde aus dieser frühen Besiedlung zu tage fördern können. Wir treffen ein internationales Team an (Albaner, Franzosen, Griechen, Kanadier) das uns bereitwillig Auskünfte gibt, denn es kommen nur selten Touristen auf diesen Berg. Die Straße hat im Winter sehr gelitten, so dass das Dorf Hekal wochenlang nicht mit Autos zu erreichen war.
Wir sind begeistert von den großartigen Funden, die wir ungestört in prächtigen Blumenwiesen bewundern können. Die Ausblicke sind überwältigend.(an anderer Stelle mehr darüber.)
Wir passieren das Erdöl- und Erdgasgebiet von Ballsh, das die größte On-shore-Fundstätte Europas sein soll, aber die Reste der Förderungen in kommunistischer Zeit lassen eine ziemlich Umweltverschmutzung erkennen.
In Fier machen wir noch einen kurzen Stopp – eine aufstrebende moderne Stadt von der aus es nur wenige Kilometer zu den Ausgrabungen der griechischen Siedlung Appolonia sind, im Vergleich zu Byllis weniger beeindruckend, aber leichter erreichbar.
Nun geht es zügig weiter durch Durres nach Kruja, wo wir die letzte Nacht in der Nähe des Flughafens verbringen.
Unsere Reise hat uns einen guten Eindruck von Land und Leuten vermittelt, obwohl es natürlich viel mehr Zeit bedurft hätte und wir auch nur einen kleinen Teil des Landes bereisten, aber der gab uns ein so positives Bild dieses landschaftlich sehr abwechslungsreichen Landes mit vielen Zeugnissen fast aller Hochkulturen. Die Albaner haben alle „Besatzungen“ überstanden und suchen nun ihren eigenen Weg nach Europa.
Der international bekannte albanische Dichter Ismail Kadare (Fischer-Verlag) beschreibt in seinem Buch „Der zerrissene April“ auf Seite 87 über das Wesen des Gasten im albanischen Hochland:
„ Ja, wirklich der Gast ist ein Halbgott…Und der Umstand, dass sich jeder normale Sterbliche unversehens auf dem erhabenen Thron des Gastes wieder finden kann, schmälert seine Göttlichkeit keineswegs, sondern unterstreicht sie im Gegenteil noch. Daß er sie ganz und zufällig erlangt, nur dadurch, dass er eines schönen Abends an irgendeine Tür klopft, macht sie nur noch wahrerer…“
Ein Stück dieser Gastfreundschaft der Albaner haben wir auch heute noch erfahren
Dr. Erwin Kreim
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